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Die Ära MV Werften 2016-2022

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Am 26. April 2016 übernahm der malaysisch-chinesische Konzern Genting Hong Kong (GHK) für 230 Millionen Euro den Werftenverbund. Zuvor hatte Genting bereits die Lloydwerft Bremerhaven erworben. 400 Nordic Yards-Mitarbeiter waren plötzlich Mitarbeiter der zur Genting gehörenden Tochter Lloyd Group mit Hauptsitz Bremerhaven. Es wurde zugesichert das 100 Millionen Euro in neue Fertigungsanlagen investiert werden.

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Eine geplante Fusionierung der Lloydwerft Bremerhaven mit dem Standort Stralsund wurde nicht realisiert, stattdessen wurde mit den 3 Werften an der Ostseeküste die MV Werften-Gruppe gebildet. Genting wollte alle 1.400 Mitarbeiter von Nordic Yards übernehmen, sie sollten bis 2017 in mehreren Phasen wechseln. Zur Fertigstellung der Offshore-Plattform ,,Dolwin Gamma" blieb ein Teil der Werftarbeiter der Ostseewerften zunächst bei Nordic Yards. 

 

Nachdem im April 2016 bereits in Bremerhaven die Pläne für den Werftenverbund vorgestellt wurden, wurden im August 2016 in Wismar die Pläne für diesen Werftenverbund an der Ostseeküste vorgestellt. In Politik und Medien wurde in dieser Zeit immer wieder die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die durch Genting hier gebauten Schiffe für die Erweiterung seiner Kreuzfahrtflotte dem Schiffbau in MV wieder Schwung verleihen könnte.

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Ursprünglich sollten in Wismar und Warnemünde 4 Flußkreuzfahrtschiffe sowie Schiffe der Global-Klasse gebaut werden. Diese Schiffe sollten mit 342 Metern Länge, 46 Metern Breite und 20 Decks die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt werden und zahlreiche Freizeitangebote für nahezu 10000 Personen bieten.

Entwurf der "Endeavor"

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Auch sollte eine eisbrechende Jacht „Crystal Endeavor" gebaut werden. Der Name des Schiffes ist abgeleitet vom Segelschiff des britischen Seefahrers und Entdeckers James Cook, der „HMS Endeavor“. Die Schiffe der Global- und der Endeavor-Klasse sollten im asiatischen Markst eingesetzt werden.

Nachdem die neugegründete MV Werften Stralsund GmbH mit Handelsregistereintrag HRB 31055 beim Amtsgericht Bremen mit einem Stammkapital von 25.000 Euro eingetragen wurde, wurde sie mit der am 9. August 2016 erfolgten Eintragung ins Handelsregister beim Amtsgericht Stralsund nach Stralsund verlagert.

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Für Stralsund wurden damals Schiffsneubauten der Endeavor-Klasse mit Eisklasse in Aussicht gestellt. 2016 ging dann der Auftrag über den Bau der „Crystal Endeavor" bei MV WERFTEN Stralsund ein. Über die Höhe der Baukosten schwiegen sich die Beteiligten aus. In Branchenkreisen ging man aber von ca. 350 Mio Euro aus.

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Die Konstruktion begann noch 2016, der Baustart sollte in 2017 beginnen und die Ablieferung sollte in 2019 erfolgen. Die Reederei Crystal Cruises informierte als Auftraggeber, dass auf der mit Eisklasse PC6 für den Einsatz in der Arktis und der Antarktis konzipierten Jacht "Crystal Endeavor'' 200 Passagiere Platz finden werden. Den Passagieren sollten 100 Balkon-Suiten mit einer Fläche zwischen 35 bis 300 Quadratmetern angeboten werden. Die für diese Art Kreuzfahrtschiffe üblichen Bereiche wie ein Spa-Bereich, Pool, Theater, Restaurants, Kino und Bar gehörten selbstverständlich auch zur Ausstattung. Für Erkundungen zu Wasser, zu Lande und in der Luft wurde die Expeditionsyacht mit elektrisch getriebenen Zodiac-Schlauchbooten, zwei Hubschraubern, zwei U-Boote für jeweils sieben Personen ausgestattet. Nach einem ersten Konzept der Reederei sollte das neue Schiff die längste Jacht der Welt werden.

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Lloyd-Werft-Vorstand Pallenlin informierte am 16.03. 2016 über den Plan, an den Werftstandorten in Mecklenburg-Vorpommern den Stahlrumpf, einen sogenannten Kasko, zusammenzuschweißen. Hiermit wollte man bereits im Mai 2016 beginnen. Der Endausbau und Ausrüstung der Jacht sollte dann in Bremerhaven bei der Lloydwerft erfolgen. Der Ablieferungstermin war zu diesem Zeitpunkt für August 2018 geplant. Von der Variante, Kaskofertigung an der Ostsee und Endausbau an der Nordsee, ging man später ab. Die Entscheidung über den Baustandort fiel dann zugunsten des Standortes Stralsund.

Entwurf der "Endeavor"

Ab 2018 waren für den Bau dieses und der zu diesem Zeitpunkt noch geplanten zwei weiteren Neubauten in der Fertigung zahlreiche Investitionsmaßnahmen durch die MV Werften geplant. Es wurden zahlreiche Retrofit-Maßnahmen vorgenommen.

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Neben einigen kleineren Investitionsmaßnahmen waren die umfangreichsten die

  • Modernisierung der Paneelstraße in Halle 240 mit ca. 4,2 Mio Euro und der Austausch der alten Micropaneelanlage mit einer neuen Anlage in H240 (2,1 Mio Euro)

  • Retrofitmaßnahmen der Serviceportale der Paneelanlage und der Doppelhüllenanlage in Halle 210 mit dem Austausch der alten Profilschneidanlage mit einer neuen Anlage (2,1 Mio Euro)

  • eines Retrofit der Doppelhüllenlinie in Halle 260 mit 500 T€.

  • Modernisierung des Herzstücks der großen Schiffbauhalle, die Steuerung für den Kran 39

  • für die Anschaffung eines Schwerlasttransportfahrzeuges KIROW (380t) wurden 1,1 Mio. Euro investiert.

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Nicht realisiert werden konnten solche Maßnahmen, wie die Sanierung des Schiffsliftes, der Technik der Konservierungshallen und der Profilumformmaschine.

Die Micropaneellinie in Halle 240

Die Micropaneellinie in Halle 240

Hallo 210 mit Profilschneidlinie

Hallo 210 mit Profilschneidlinie

Brennstart für die Megajacht

Am 15. Januar 2018 war in Gegenwart von Landes- und Lokalpolitik Brennstart für die Megajacht.

Kiellegung am 9.März 2018

Am 9. März 2018 war dann Kiellegung.

Die zu diesem Zeitpunkt waren auf der Werft aber auch rund 300 Mitarbeiter mit dem Sektionsbau für das in Wismar zu bauende erste Schiff der Global-Klasse beschäftigt. Diese Sektionen wurden dann per Seetransport an die anderen beiden Standorte geliefert.

Der Rollout aus der großen Schiffbauhalle konnte am 21. Dezember 2019 stattfinden und das Schiff über den 275 m-langen Schiffslift zu Wasser gelassen werden. Am Kai konnte nun mit dem luxuriösen Innenausbau begonnen werden und die vollständige Ausrüstung des Schiffes vorgenommen werden.

Am 5. März 2021 lief die Endeavor zu einer ersten Probefahrt in das traditionell für die Werfterprobungen vorgesehene Seegebiet vor der dänischen Insel Bornholm aus. Zwischen dem 20. Mai 2021 und dem 24.05.2021 fand noch eine zweite Probefahrt vor Rügen statt.

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Mit einer Länge von 164 Metern und einer Breite von 23,5 Metern war das Schiff mit 20500 BRZ vermessen worden. Der Tiefgang wurde mit 6,1 Meter angeben.

Rollout der "Endeavor"

Rollout der "Endeavor"

Auslaufen zur Probefahrt

Auslaufen zur Probefahrt

Die Crystal Endeavor wurde am 26. Juni 2021 durch die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig,  auf ihren Namen "Crystal Endeavor" getauft. Zwei Wochen später, am 10.07.2021 verließ das Schiff die Werft. Auf der Überführungsfahrt nach Island wurden noch Restarbeiten ausgeführt. Das Schiff konnte zu seiner Jungfernreise auslaufen.

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Mit der weltweit grassierenden Coronapandemie und den in nahezu allen Ländern eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung begann der Niedergang der MV Werften-Gruppe. Hier zeigte sich, dass das bisherige Geschäftsmodell des Genting-Konzerns, welches überwiegend auf Hotels, Spielcasinos und Kreuzfahrtreedereien basierte, sich als großer Schwachpunkt erwies. Die weltweit eingeleiteten Kontaktverbote führten zu erheblichen Einnahmeverlusten.

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Die Auswirkungen auf den Werftenverbund waren Zahlungsschwierigkeiten gegenüber den Subunternehmen und Lieferanten. Diese Zahlungsschwierigkeiten mündeten im August 2021 darin, dass die Geschäftsführung zunächst den Werftbetrieb in allen Standorten einstellte und im Januar 2022 einen Insolvenzantrag für die MV Werften mit Standorten in Rostock, Wismar und Stralsund sowie der Lloyd Werft in Bremerhaven und weitere Tochtergesellschaften stellen musste. Hiervon waren rund 2000 Mitarbeiter betroffen. Als Insolvenzverwalter wurde Christoph Morgen, ein Spezialist für Unternehmenssanierungen der Kanzlei Brinkmann & Partner eingesetzt. Am Amtsgericht Stralsund erfolgte dann die Eintragung der Insolvenz am 21. März 2022.

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Hiervon ausgenommen war die Gesellschaft der die Grundmittel der Werft gehörten, die MV Werften Stralsund Property GmbH. Damit konnte über den von der Stadt Stralsund beabsichtigten Kauf des Geländes der Werft weiter verhandelt werden. Die Stadt Stralsund wollte offenbar die Gelegenheit nutzen sich dem immer wiederkehrenden Auf und Ab dieses Werftenstandortes und den daraus sich ergebenden negativen Auswirkungen auf die Lebensumstände in der Stadt zu entziehen. Die Bürgerschaft der Hansestadt stimmte am 28.02.2022 dem Kauf zu.

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Der ehemalige Eigentümer Nordic Yards Witalij Jussufow, hatte zu diesem Zeitpunkt, wie auch schon 2013, Interesse bekundet die Werft zu mieten. Was hier Nordic Yards tun wollte ist leider bisher unbekannt geblieben. Ob wieder Schiffe und Plattformen für die Offshorindustrie gebaut, für die von Deutschland vielfach propagierte Energiewende, werden sollten kann nur vermutet werden. Dem Gedanken die Werft an ein Unternehmen zu vermieten stand die Stadt auch zunächst positiv gegenüber. Aber angesichts der in der Europäischen Union verhängten Sanktionsmaßnahmen gegenüber der russischen Wirtschaft nahm die Stadt Abstand von diesem Plan.

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Nun begann die Stadt sich mit der Umstrukturierung dieses schiffbaulichen Fertigungsstandortes zu einem maritimen Gewerbepark zu befassen.

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