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Gründung

Die Geschichte der Stralsunder Werft unter dem Namen Volkswerft beginnt am 15. Juni 1948 mit deren Eintrag als Volkseigener Betrieb VEB Volkswerft Stralsund ins Handelsregister. Die Werft entstand östlich des Rügendamm-Bahnhofs auf einem Brachland und dem kleinen Gelände der 1945 enteigneten Gebr. Kröger Yacht- und Bootswerft Stralsund, mit deren Hinterlassenschaft ab 01. Oktober 1945 für knapp drei Jahre die Ingenieurbau-Ges.m.b.H. Stralsund tätig war. In den zurück liegenden über 70 Jahren ihres Bestehens durchlebte die Volkswerft eine wechselvolle Geschichte.

Geschäftsfelder der Volkswerft Stralsund

Entwicklung und Bau von seegehenden Schiffen, Schiffsreparaturen und Fertigung von Stahlkonstruktionen.

 

1948 – 1992

Fischereischiffe vom 17 m–Holzkutter bis zum 120 m–Fabriktrawler, Minenleg- und Räumschiffe für die Seepolizei der DDR, kleine Dienst- und Behördenfahrzeuge

Die Werft war von Beginn an für den Bau von Fischereischiffen ausgerichtet.

Bis 1953 trug die Werft mit dem Bau der Kutter und Logger zur Erfüllung der Reparationsverpflichtungen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR gegenüber der UdSSR bei, lieferte aber auch Kutter, Logger und Seitentrawler an die im Aufbau befindliche DDR-Fischerei nach Rostock und Saßnitz.

Im Rahmen von Spezialisierungsabkommen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) der Sowjetunion mit Ostblockstaaten kam der DDR und damit der Volkswerft anschließend die Aufgabe zu, die Entwicklung und den Bau von weltmarktfähigen Fischereischiffen voran zu treiben. Beginnend ab den 1960iger Jahren bescheinigte Lloyd`s Register of Shipping der Volkswerft regelmäßig Spitzenplätze im Vergleich mit weltweit führenden Werften dieser Branche.

ab 1992

Containerschiffe bis 4000 TEU, Passagier-Frachtschiffe, Bagger, Ankerziehversorger (AHTS), Kabelleger, RoRo-Schiffe, Flußkreuzfahrgastschiffe

Mit dem Ende der Sowjetunion, Hauptabnehmer der Volkswerft-Schiffe endete 1992 sogleich die Ära des Stralsunder Fischerei-Schiffbaus. Die Überführung des Unternehmens ab 1990 in die freie Marktwirtschaft war ein steiniger Weg. Eine Vielzahl politischer Ereignisse und wirtschaftlicher Maßnahmen sicherte letztlich das Fortbestehen der Werft.

Der Einstieg in solch neue Geschäftsfelder wie der Bau von Containerschiffen, Passagier-Fahrgast-Schiffen und Spezialschiffen/Offshore gelang fast nahtlos. Die Qualifikation und das leidenschaftliche Engagement der Stralsunder Schiffbauer beim Ringen um den Erhalt des Traditionsunternehmens „Volkswerft“ trugen ein Übriges dazu bei.

 

Zur Geschichte der Stralsunder Werft unter dem Namen VOLKSWERFT

 

Mit dem Vermerk der Eintragung ins Handelsregister Mitte 1948 lässt sich die Gründungsgeschichte allein nicht darstellen. Die Ereignisse des vorausgegangenen Decenniums hatten schon frühzeitig die Weichen gestellt für den späteren Schiffbaubetrieb am Strelasund. Dort, wo sich heute das Gelände des Südhafens und der Volkswerft ausdehnt, bot sich vor dem zweiten Weltkrieg noch ein freier Blick vom Bahnsteig des Rügendamm Bahnhofs über eine aufgespülte Sand- und Schlickfläche zum gegenüberliegendem Dänholm und zur Halbinsel Drigge. Auf diesem Schwemmland begann 1939 die Gebr. Kröger Yacht- und Bootswerft Warnemünde mit dem Aufbau ihres Zweigbetriebes, der am 7. Januar 1941 beim Amtsgericht Stralsund als Kröger Werft GmbH eingetragen wurde. Mit wenigen Gebäuden und Anlagen für den Bau kleiner Wasserfahrzeuge begann dann bereits im April 1942 die Produktion und die Belegschaft wuchs bis zu 500 Personen.

Der „Seeteufel IV“, ein Flugbetriebsboot zur Seenotrettung, und Kleinkampfboote Typ „Linse“ und „Hydra“ für die deutsche Kriegsmarine bildeten das Bauprogramm. Nach nicht einmal vier Jahren erlitt die Kröger Werft ein schicksalhaftes, aber auch unrühmliches Ende. Bei der anglo-amerikanischen Bombardierung Stralsunds am 6. Oktober 1944 wurde auch ein Teil der Werft zerstört. Um sich dem Zugriff der vorrückenden Roten Armee zu entziehen, verließ Werftbesitzer Hans Kröger mit Familie auf seiner Yacht „Jan Maaten“ am 30. April 1945 Stralsund in Richtung Schleswig-Holstein. Tags zuvor wurden bereits mit drei kleinen Frachtkähnen Werftausrüstung und Schiffbaumaterial in westliche Richtung abtransportiert. Pioniere der Wehrmacht sprengten vor Eintreffen der Sowjetarmee noch vereinzelte Werfteinrichtungen.

 

Vom sowjetischen Stadtkommandanten wurde dann im Juni 1945 angeordnet, die spärlichen Überbleibsel der Werft im Zuge der Entmilitarisierung zu demontieren, u. a. die Slipanlage. Der wohl verschont gebliebene Backsteinbau der Verwaltung blieb bis etwa 1997 erhalten und diente über Jahrzehnte bis etwa 1990 als Domizil für die sowjetische Abnahmeinspektion (SAI) des Fischereiministeriums der UdSSR und die Büros der Leitung der Qualitätskontrolle der Werft.Auf diesem Trümmerfeld begannen dann kurze Zeit später Aufräumungsarbeiten mit „Sichtung“ nach noch verwertbarem Material. Diese ersten Aktionen der Beschaffung von Arbeit wurden von der am 6. Mai 1945 mit Billigung des sowjetischen Stadtkommandanten gebildeten neuen Stadtverwaltung initiiert.

 

Ausgehend von der Potsdamer Konferenz der Siegermächte des zweiten Weltkriegs im Juli/August 1945 erließ die sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 30. Oktober 1945 den Befehl Nr. 124 über die Beschlagnahme einiger in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) befindlichen Eigentumskategorien sowie die Erfassung herrenloser Industrieunternehmen. Zur Durchsetzung dieser Anordnungen wurden bei den jeweiligen deutschen Verwaltungen ab Dezember 1945 Sequesterkommissionen geschaffen. Damit war die Kröger Werft durch diese Grundsätze der Besatzungspolitik enteignet. Forderungen der alten Eigentümer per Brief an den OB der Stadt Stralsund im März 1946 nach Rückgabe der Werft waren unter den herrschenden politischen Verhältnissen aussichtslos. Hans und Karl Kröger gründeten dann 1947 eine Werft in Husum und 1952 die Kröger Werft in Rendsburg.

Die Krögerwerft 1945

Die Krögerwerft 1945

Foto aus: 21.Stralsunder Heimatbrief (1989), Wilhelm Grützmacher


Auf dem Gelände der Kröger Werft kam es bereits am 1. Oktober 1945 zur Gründung des Betriebes Ingenieurbau Ges.m.b.H. mit Eintragung ins Handelsregister Stralsund am 9. Oktober 1945. Mehrheitseigner war mit 90% die Stadt Stralsund und 10% hielt Anton Will, der künftige Direktor. Die 106 Beschäftigten (darunter etwa nur 25 qualifizierte Arbeiter mit einem Metallberuf) begannen neben der Herrichtung von Arbeitsstätten mit der Reparatur der Behelfsbrücke am Rügendamm, mit der Reparatur kleiner Fahrzeuge und sonstigen Stahlbauarbeiten und waren zeitweise auch noch in der Baustoffgewinnung eingesetzt. Ein Werftbetrieb im herkömmlichen Sinne, allerdings mit einfachster Ausrüstung, wurde dann erst im II. Halbjahr 1946 aufgenommen. Die Ing.-Bau G.m.b.H. erhielt 1946 den Auftrag zum Bau von 23 Holzkuttern Typ D für die UdSSR, von denen der erste am 11. September 1946, vermutlich in einem von der Kröger Werft erhalten gebliebenen und reparierten Bootsschuppen, auf Kiel gelegt wurde. Das Dänholmwerk C.& H. Blad, Stralsund, war mit fünf Kutterbauten parallel bedacht worden. Auslöser für dieses kleine Bauprogramm als auch für die gewaltige Anzahl an verschiedenen Schiffen in den folgenden Jahren für die UdSSR war das 1945 von der UdSSR auferlegte Reparationsprogramm im Osten Deutschlands. Bezüglich der Kutteraufträge war Stralsund lediglich mit 28 Stück beteiligt an den insgesamt 260 Stück bis 1953 gelieferten 17m-Holzkuttern.

In der Geschichte des Kutterbaus in Stralsund wird gewöhnlich mit Bezug auf die Arbeiten von Dietrich Strobel auf den sog. Narjad-Auftrag Nr. P 50/64188 vom 17. April 1945 verwiesen, nach dem angeblich 12 Kutter zu liefern waren. Es ist fraglich, ob dieses an den Präsidenten des Landes Mecklenburg in Schwerin gerichtete Dokument der SMAD in Berlin-Karlshorst die Lieferung von Kuttern beinhaltet. In diesem Arbeitsauftrag ist ein Wertumfang von gesamt 300.000,-DM für zehn Wareneinheiten von je 30.000,-DM (Nr. 37136 -37145) festgeschrieben und als Spediteur eine Berliner Fa. Lassen eingesetzt. Weder die Anzahl noch der Preis korrespondieren mit anderen Quellen. Die Herstellkosten eines 17m-Kutters stehen mit ca. 300.000,-DM in den Akten, auch wenn sie nur mit ca. 90.000,-DM in die Reparationsbilanz eingingen. Das zugrunde liegende Formblatt dieses zitierten Narjad-Auftrages wurde sicher als Standardformular auch für den Kutterauftrag verwendet, hätte aber anders ausgefüllt worden sein.

Holzkutterbau bei der Ing.bau GmbH
(aus der Broschüre 30 Jahre Volkswerft)

Holzkutterbau bei der Ing.bau GmbH

Das Projekt war vom Ingenieurtechnischen Büro Fischereischiffbau der UdSSR in Berlin-Karlshorst vorgelegt worden. Bemerkenswert ist, dass die Konstruktionszeichnungen für diesen Kutter Typ D als auch für den Typ G vom Technischen Büro der Ing.-Bau Ges.m.b.H. respektive vom Technischen Büro Dänholm der Volkswerft als dessen Nachfolger für alle Bauwerften in der SBZ ausgearbeitet wurden. Den materialtechnischen Schwierigkeiten dieser Zeit und dem Einräumen von Prioritäten anderer Reparaturaufträge geschuldet, wurden die Zielstellungen der Auftragserteilung (vier Kutter noch im Jahr 1946 zu liefern) weit verfehlt. Denn erst genau ein Jahr später konnte der Stapellauf des ersten Kutters mit primitivsten Mitteln erfolgen. Bis zur Ablieferung der ersten beiden Kutter КДШ-4 (KDSH-4) und КДШ-5 (KDSH-5) am 24. April 1948 dauerte es weitere sieben Monate. Quasi noch unter dem Dach der Ing.-Bau Ges.m.b.H. kamen am 26. Juni 1948 zwei weitere Kutter КДШ-3 (KDSH-3) und КДШ-6 (KDSH-6) zur Ablieferung. Die Beschäftigtenzahl war bis dahin auf knapp 1000 angestiegen. Die restlichen 19 Schiffe des Auftrages sind dann dem VEB Volkswerft Stralsund anzurechnen. Diese 23 „Werftkutter“ plus die fünf von C. und H. Blad repräsentieren die insgesamt 28 Kutter vom Strelasund. Zehn Kutter wurden der regionalen Fischerei zugeführt: fünf für die Fischwirtschaftsgenossenschaft auf dem Dänholm/Stralsund und fünf für die Fischwirtschaft Saßnitz. Die 17m–Holzkutter Typ D wurden bis 1949 noch in herkömmlicher Weise in den verbliebenen Hallen der Krögerwerft gebaut.

Der Werftreparaturbetrieb kam im Oktober 1946 zum Tragen, als der 560 BRT vermessene und 1931 gebaute Fischdampfer PT-39 „КОЛХОЗНИК“ (Kolchoznik) aus Murmansk eintraf, dessen Umbauarbeiten im Januar 1948 abgeschlossen wurden. Es folgten Reparaturen der sowjetischen Schlepper „УРAГАН“(Uragan) und „ТАИФУН“(Taifun) bis April und August 1948. Es wird auch berichtet, dass bei der Franzenshöhe Rettungsboote gebaut wurden. Am 14. April 1947 erfolgte die Überführung der Ing.-Bau Ges.m.b.H. in die Hauptverwaltung Landeseigener Betriebe in Schwerin. Im gleichen Jahr wurde die Bauabteilung herausgelöst und als Bau-Union fortgeführt.

Taufe eines 17m-Kutters auf dem Dänholm

Taufe eines 17m-Kutters auf dem Dänholm

Ein weniger bekanntes Betätigungsfeld der Ing.-Bau Ges.m.b.H. war der Endausbau von Seinern für die sowjetische Fischerei. Diese Schiffe waren auf den Binnenwerften Brandenburg, Roßlau, Rothenburg und Aken gebaut und aufwendig, erst über die Elbe, ab Frühjahr 1948 über die Oder, nach Stralsund überführt worden. Die angelieferten Fahrzeuge hatten einen Fertigungsgrad von 60 – 80 % und hier erfolgten dann der Einbau der Motore, das Setzen des Deckshauses u. a. Ausbauarbeiten. Die ersten drei Seiner für Kaliningrad (PC 11 bis 13) kamen bis Ende Juni 1948 zur Auslieferung, weitere waren angearbeitet. Dieses Geschäft wurde dann auf der Volkswerft (ab Mitte 1948) weitergeführt und bis in die 50iger Jahre auf der Stadtwerft GmbH (ex. Dornquast) auf dem kleinen Dänholm erheblich ausgedehnt. Dort waren es dann teilfertige Kühllogger und kleine Gefrierschiffe aus dem Binnenland.

Die Zeit von 1939 bis 1948 reflektiert so das bewegte Vorleben der Volkswerft Stralsund.

Einen Meilenstein für den Stralsunder Schiffbau stellt die Entscheidung der SMAD im Sommer 1948 dar, den Schiffbau in der SBZ neu aufzubauen.

Dies war sicher nur ein Ergebnis in der Folge der interalliierten Gespräche und Auseinandersetzungen ab 1944, wie man mit Deutschland nach dem Krieg umgehen sollte. Wiedergutmachung stand sowohl bei den Sowjets als auch den Anglo-Amerikanern auf der Agenda mit an erster Stelle. So mussten die Hamburger noch im Mai 1946 leidvoll mit ansehen, wie ihre riesige Traditionswerft Blohm & Voss gesprengt wurde. Nur wenige Stralsunder dürften vergleichsweise emotional bewegt gewesen sein beim Abräumen der spärlichen Hinterlassenschaft der kleinen Kröger Werft durch die Sowjets. Diametral begannen dann die Alliierten aus konträren politischen Interessen, einen Wiederaufbau der Wirtschaft zu forcieren – im Westen mit dem Marshall-Plan und im Osten nach Vorgaben der sowjetischen Strategie.

Die SMAD war gemäß der Berliner Erklärung der Alliierten vom Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt in der SBZ. Und da eine Militärregierung generell undemokratisch ist, erließ der Oberbefehlshaber der sowjetischen Besatzungstruppen als Chef der SMAD seine Anordnungen als Befehle. So wurde im Dezember 1945 angeordnet, die Werften in der SBZ (soweit man von Werften sprechen konnte), der zentralen Verwaltung Verkehr zu unterstellen. Die sowjetische Administration etablierte zwei zentrale Stellen, die die Werften mit technischen Unterlagen für den Bau von Schiffen versorgten und Strukturpläne für die Werftenentwicklung ausarbeiteten: das Entwicklungsbüro für Fischereischiffe in Berlin-Köpenick und das Wissenschaftlich Technische Büro (WTB) in Warnemünde.

Mit Befehl Nr. 103/48 vom 7. Juni 1948 erhielt die Deutsche Wirtschaftskommission die Aufgabe, die Einrichtung von Werften in Stralsund, Wolgast und Damgarten für den Bau von Schiffen für die Fischereiflotte und die Erweiterung der Produktion der in Betrieb befindlichen Werften sicherzustellen. Im Punkt 2a des Dokuments ist konkret angewiesen, die Werft „Ingenieur-Bau“ in Stralsund für eine jährliche Fertigstellung von 100 Loggern herzurichten und sie ab 1. Januar 1949 in Betrieb zu bringen.

Beschaffung von Ausrüstungen, Werkzeugen und vor allem Personal für die Werften sowie Baumaterial für den Werftaufbau und die Unterbringung der zusätzlichen Beschäftigten waren die wichtigsten Aufgaben der Verwaltung und im Befehl prinzipiell festgelegt. So wurde zum Beispiel entschieden, dass mit Hilfe der „Bau-Union“ 7500 qm Metallkonstruktionen der beschädigten „Vereinigten Aluminiumwerke A.G.“ Lauta bei Spremberg zu demontieren und bis spätestens 1. August zu verladen sind für den Bahntransport zur „Ing.-Bau“ in Stralsund. Gebäude der Schiffsstammabteilung der Kriegsmarine auf dem Dänholm waren dem Chef der Verwaltung zwecks Einquartierung von Arbeitern und ing.-techn. Personals zu übergeben und wurden auch als Wohnungen für die neue Werft hergerichtet.

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