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Volkswerft-Schiffe und ihr Schicksal

Auch ein Schiff hat vergleichbar einen Lebenslauf. Baubeginn oder Kiellegung entsprechen der Geburt, Stapellauf und Schiffstaufe erklären sich selbst; nur die Betriebszeit mit ihren Höhen und Tiefen (Eigentümer- und Namenswechsel, Umbau, Havarie und Reparaturen) von durchschnittlich 25 - 30 Jahren ist wesentlich kürzer als ein Menschenleben. Natürlich gab und gibt es Schiffe aller Typen, die erheblich mehr Jahre Verwendung fanden und dies aus vielerlei Gründen. So sind die drei 1993/94 gebauten Passagier-Auto-Fähren PCV 917 „Kong Harald“ und Schwestern noch heute auf der Hurtigrute in Norwegen in Betrieb. Überwiegend trifft das aber auf Museums- und Traditionsschiffe zu, die bei guter Pflege und fachgerechten Reparaturen oft viele Jahrzehnte überstehen und ihre erforderlichen Zeugnisse erhalten.

 

Als schwimmende und nicht am Verkehr teilnehmende, stillliegende Anlage können sogar 80 Jahre und mehr erreicht werden, wie es die „Gorch Fock“ im Stralsunder Hafen demonstriert. Die 60 Jahre alte „Stubnitz“ (1964 als Kühl- und Transportschiff für die Sassnitzer Fischerei gebaut), der noch 2009 in Holmavik/Island gelegene Islandlogger „STEINGRIMUR TROLLI“ (als NB 408 am 30. Mai 1959 abgeliefert) und die kleine Personenfähre „DER STRALSUNDER“ (abgeliefert Juli 1957) sind vermutlich die einzigen Schiffe der Volkswerft, denen nach Jahrzehnten immer noch ein Fahrterlaubnisschein zuerkannt wird. Mit der Entwicklung der Bauvorschriften bei den Klassifikationsgesellschaften setzte sich zeitweilig auch ein 25 Jahre-Zyklus als eine Entwurfsrichtlinie durch (z. B bezüglich der Abrostung des Schiffbaustahls und damit Beeinflussung der Schiffsfestigkeit).

 

Das Ende der Schiffe erfolgt überwiegend durch das Abwracken. Weltweit sind Unternehmen ansässig, die diese „schmutzige“ Arbeit verrichten. Im Bereich der EU gibt es davon ca. 45 Abwrackwerften, die seit 2013 gelistet werden und an die EU-Verordnung für das Recycling von Schiffen gebunden sind, d. h. nach verbindlichen Umwelt- und Arbeitsschutz-Richtlinien arbeiten müssen. In Norwegen, Großbritannien und der Türkei als Nicht-EU-Staaten sind ebenfalls viele Abwrackunternehmen angesiedelt. Die „Riesen“ in diesem Geschäft befinden sich dagegen seit Jahrzehnten in Südasien wie Alang in Indien, Chittagong in Bangladesch oder Giddani in Pakistan. Das sind keine Werften im herkömmlichen Sinne, sondern kilometerlange Strandabschnitte, auf denen die Schiffe mit einfachsten Hilfsmitteln und unter katastrophalen Arbeitsbedingungen zerlegt werden. Es heißt, dass die dort Beschäftigten „the most dangerous job in the world“ ausüben. Dazu werden die Schiffe nach der „Landungsmethode“ bei Hochwasser einfach auf den Strand gesteuert (soweit sie noch Selbstfahrer sind) oder dorthin geschleppt. So liegt zumindest das Vorschiff trocken an Land.

 

Das größte Schiffsrecycling-Unternehmen Europas dürfte sich in Aliaga bei Izmir in der Türkei befinden, wo insbesondere Kreuzfahrtschiffe und Tanker noch genau nach dieser brachialen Methode dem Schneidbrenner zum Opfer fallen. Jährlich werden weltweit fast 1000 Schiffe zerlegt, 70% davon auf den drei genannten Stränden in Südasien. Wenn ein Schiff zum Abwracken verkauft ist, wird es nach internationalen Regeln zum gefährlichen Abfall. Den Schiffen der Volkswerft Stralsund war dieser Lauf der Dinge auch nicht erspart geblieben und wird es zukünftig auch nicht sein. Statistisch betrachtet ist nach ihrer Ausmusterung der überwiegende Teil der hier auf Kiel gelegten Schiffe auf Abwrackwerften über den Globus verteilt verschrottet worden.

 

Den Zeitpunkt für die letzte Reise bestimmt der Schiffseigner, wobei vorwiegend wirtschaftliche und finanzielle Aspekte eine Rolle spielen.Internationale Schifffahrtsbehörden, Schiffsregister und Klassifikationsgesellschaften führen akribisch Buch, was die Kiellegung eines jeden neuen Schiffes auf einer Werft und die Zuordnung der IMO-Nummer betrifft. Das Ende aber wurde meist nur mit „gestrichen im Register“ oder ähnlich und zumeist noch ohne genaue zeitliche Angabe vermerkt. Lediglich in einigen Fachorganen fanden sich Rubriken über Schiffsverkäufe oder das Auflegen, jedoch kaum Hinweise auf Fischereischiffe. Erst seit der Entwicklung des Internets entstanden auch einige Plattformen, die sich aus unterschiedlicher Motivation auf das Geschehen auf dem Abwrackmarkt konzentrieren und so Analysen und Übersichten der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das hier Gesagte gilt vor allem für die zivile Schifffahrt.

 

Regelrechte Schiffskatastrophen mit Verlust des Fahrzeugs und dem Tod von Seeleuten ereilte nur vereinzelte auf der Volkswerft gebaute Schiffe. Es ist nicht Ziel dieses Artikels, einen vollständigen Überblick über das schicksalhafte Ende jener Schiffe zu erstellen. Es ist auch kaum möglich, dies zu eruieren. Man darf davon ausgehen, dass zumindest in den 1950iger Jahren über eventuelle Unfälle in der sowjetischen Fischerei mit kleinen Fischereifahrzeugen wie Kutter, Logger oder Trawler wenig Informationen an die internationale Öffentlichkeit gelangten. Aber genau diese Fahrzeuge gerieten unter oft unwirtlichen Seebedingungen (Sturm, Vereisung, Brecher) in Gefahr zu havarieren. Trotz modernster Technik wird der Beruf des Hochseefischers auch heute noch als einer der gefährlichsten betrachtet. Nach Informationen der FSF (Fish Safety Foundation) und der ILO (International Labour Organisation) verlieren jährlich tausende Fischer ihr Leben, in Kanada zwischen 2018 und 2020 allein 45. Zwischen 1992 und 2007 werden 1900 Fischerboote als Verlust gemeldet.

 

Jeder Verlust eines Schiffes, noch so klein, und wenn auch noch Menschenleben zu beklagen sind, ist ein schweres Schicksal. Diese kurze Analyse soll lediglich den Unterschied veranschaulichen zwischen den Risiken, denen Fischereischiffe im Vergleich zu Handelsschiffen ausgesetzt sind. Es ist sicher nachvollziehbar, dass kleine Fischereiboote, Kutter und kleine Trawler den Gewalten der Meere viel mehr ausgesetzt sind als große Fang- und Verarbeiter und somit die genannten Zahlen stark nach oben beeinflussten. Eine andere Untersuchung belegt, dass für zivile Schiffe größer als 500 GT (gross tons) im Zeitraum von 1970 bis 2000 die Reihenfolge der Hauptursachen für Totalverluste wie folgt aussieht: Strandung, Feuer, Wassereinbruch, Sturm/Nebel und Kollision. Menschliches Versagen mit Navigationsfehlern dürfte eine Ursache für Strandung und Kollisionen gewesen sein.

 

In Verbindung mit den vergleichsweise wenigen Havarien der über 1600 in Stralsund gebauten Schiffe ist kein einziger Fall dokumentiert, für den technische Mängel des Fahrzeugs die Ursache gewesen wären. Dies hier ist aus schiffbau-historischer Sicht nur ein kleiner Versuch, das zum Teil tragische Ende betroffener VWS-Schiffe festzuhalten. Auf eine Vollständigkeit besteht dieser Beitrag nicht. Des Weiteren endet die Recherche im Juni 2024.

17 m Kutter

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17 m – Holzkutter Typ D


Neben den 260 Kuttern, die von 1948 – 1953 in der Sowjetischen Besatzungszone und DDR im Rahmen der Reparationsverpflichtungen für die UdSSR gebaut wurden, kamen auch noch 124 für die einheimische Fischerei zur Ablieferung. Stralsund war mit 28 Kuttern an diesem Programm beteiligt, 18 x UdSSR und 10 x DDR-Fischerei.
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Dramatische Ereignisse sind für diese kleinen Fahrzeuge auf deutscher Seite nicht bekannt und über die 260 sowjetischen Kutter gibt es Quellen. Bezüglich der Lebensdauer und des Verbleibs sind allerdings einige Hinweise interessant. Diese Fahrzeuge einer längst vergangenen Epoche lassen sich ad eins mit der Baumethodik und zweitens mit der Nutzung heutiger moderner Schiffe nicht vergleichen. Aus Mangel an Schiffbaustahl nach dem II. WK musste Holz verwendet werden und eine sich langsam entwickelnde Schiffbauindustrie in Ostdeutschland bis Mitte der 1950iger Jahre zwang zur oft verlängerten Nutzung der Kutter, um die Versorgung mit Fisch sicher zu stellen. Wie die Tabelle auszugsweise zeigt, schafften es einige Kutter bis zu über 40 Jahren.

 

Wenige Exemplare fanden ein zweites Leben, indem sie nach 1990 verkauft und zum Beispiel zu einem privaten Gaffelschoner umgebaut wurden oder als Fischverkaufsstand und stationäre Gaststätte ihr Leben fristeten. Die roten Kutter in Warnemünde, die zwar auf anderen Werften gebaut und noch bis 2023 als Angelkutter o.ä. verwendet wurden, dokumentieren eine ca. 70-jährige Lebensdauer dieser Holzboote. Leider sind die Schiffe aus dem Alten Strom immer mehr verdrängt worden.

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39 m Motorlogger DDR

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39 m - Motorlogger für die DDR-Fischerei

Von den 24 auf der Volkswerft gebauten Loggern für die Rostocker Fischer in den Jahren 1950/1951 wurden die aufgeführten acht Fahrzeuge nach ca. 27 Jahren in Rostock verschrottet, die anderen wurden bereits ab 1968 nach England und Holland verkauft.

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52 m – Motortrawler (Seitentrawler Typ I) für die DDR-Fischerei

Von den sechs auf der VWS in den Jahren 1951/1952gebauten Seitentrawlern Typ I wurden die aufgeführten drei Fahrzeuge nach ca. 25 Jahren in Rostock verschrottet, die anderen wurden in früheren Jahren (1968 u. 1977) verkauft.

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52 m Seitentrawler Typ1
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52 m Seitentrawler Typ 2

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52 m – Motortrawler (Seitentrawler Typ II) für die DDR-Fischerei

Die lediglich vier auf der VWS in den Jahren 1955 gebauten Seitentrawler Typ II wurden nach ca. 22 Jahren in Rostock verschrottet.

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​39 m – Motorlogger für die UdSSR


Von den im Zeitraum 1950 bis 1958 gebauten 568 Loggern für die Sowjetunion haben die unten gelisteten Logger ein schicksalhaftes Ende gefunden.

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39 m Motorlogger UdSSR
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26.5 m Stahlkutter

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26,5 m – Stahlkutter für den VEB Fischkombinat Saßnitz


Alle Kutter blieben von dramatischen Schicksalen auf hoher See verschont. Anfang der 1990iger Jahre wurden vier Schiffe nach Indonesien verkauft, jeweils einer nach Venezuela und nach Hamburg. Bis auf die drei unten aufgeführten nahmen die restlichen Schiffe ein unspektakuläres Ende durch Verschrottung.

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Mitteltrawler Typ „Okean“


In den vier Jahren von 1958 bis 1961 wurden 171 Mitteltrawler für die Sowjetunion gebaut. Fünfzehn Schiffe (NB 9005, 9020, 9033, 9034, 9035, 9079, 9087, 9096, 9098, 9123, 9128, 9129, 9167, 9170 und 9171) wurden nach Ablieferung an verschiedene Fischereibasen in der Sowjetunion dort ab 1959 umfunktioniert zu Aufklärungsschiffen. Sie wurden in die sowjetische Marine integriert und den strategischen Flottenbereichen Pazifik, Nordmeer und Schwarzes Meer zugeordnet.

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Mitteltrawler "Okean"

​Die in heutigen Listen geführten Namen dieser Schiffe, wie BAROGRAF (9005) oder BAROMETER (9020), sind ihnen erst nach diesen Umbauarbeiten verliehen worden. Die für den Stapellauf oder Schiffstaufe vorgesehenen Schiffsnamen teilte die sowjetische Seite der Volkswerft kurz vor diesem Ereignis mit. So wurde also NB 9005 auf der Volkswerft auf den Namen „OKHOTSK“ getauft (in russ. Quellen findet man „OLENEK“), ab 1959 dann auf BAROGRAF umbenannt.

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​Der Untergang von NB 9005 (als Aufklärer BAROGRAF) am 27. Jan. 1961 bei den Shetlands mit dem Tod von 13 Seeleuten ist die einzige bekannte Schiffskatastrophe eines Mitteltrawlers, bei der Menschenleben zu beklagen waren. So wie NB 9024 „TAJMINSH“ nach fast 50 Jahren als „OKA“ in Sewastopol verrottet war, dürfte es einigen anderen Trawlern in den Weiten der Sowjetunion ebenfalls ergangen sein.

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Fang- und Gefrierschiff "Tropik"

 

Fang- und Gefrierschiff „TROPIK“


Das Abwracken der meisten Hecktrawler begann ab Mitte der 1980iger Jahre. Überwiegend gingen die Schiffe dazu an die Recycling-Plätze in Aliaga/Türkei und Gadani Beach/Pakistan. Fünf Schiffe aus der gesamten Tropik-Serie (86 Schiffe von 1962 bis 1966 für die Sowjetunion und Bulgarien gebaut) ereilte aber ein schweres Unglück auf See (s. Tabelle).

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Mit dem Tod von 57 Seeleuten widerfuhr z. B. dem zweiten Tropik NB 7002 „Tukan“ aus Kaliningrad am 28. Februar 1967 eine große Tragödie. Der Trawler befand sich zwischen Kristiansand/Norw. und Hanstholm/Dänemark im Skagerrak bei schwerem Wetter und Brecher beschädigten die Ladeluke auf dem Backdeck. In der aufgewühlten See übernahm das Schiff Wasser, beide Laderäume im Vorschiff wurden geflutet und um 04:50 Uhr ging das Schiff im eiskalten Wasser unter. Andere Quellen verweisen dagegen darauf, dass der Wassereinbruch im Achterschiff erfolgte (s.Tabelle). An der Rettungsaktion waren dänische, norwegische, holländische und schwedische Schiffe beteiligt, aber nur 22 Seeleute konnten gerettet werden, von den einer kurz darauf leider verstarb, und 57 verloren ihr Leben. Geborgen wurden davon nur 47 Tote, die über Hirtshals und Frederikshavn ihre letzte Reise nach Kaliningrad antraten, dem Heimathafen des Trawlers. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung fand dort die Beisetzung der Verstorbenen statt. Alexej Kosygin, sowjetischer Ministerpräsident, bedankte sich mit einem Schreiben bei der dänischen Regierung und den beteiligten Rettern wie folgt: “The actions of the Danish seamen, the community of Hirtshals and other local towns, is an expression of deep human compassion, empathy and comradeship, as well as an example in the highest tradition of solidarity between all the seamen in the world”.​

 

Kühl- und Transportschiff (KTS) „STUBNITZ“


Dem Schiff SAS-501 als Modifikation des Tropik muss allein wegen seines langen Lebens hier ein gebührender Platz eingeräumt werden. Erst Sommer 2024 wurde das seefähige und 60 Jahre alte Schiff einer weiteren Reparatur in Stralsund unterzogen.

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Fang- und Gefrierschiff "Atlantik"

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Fang- und Gefrierschiff „ATLANTIK“


Unter den Baunummern 201 bis 347 wurden von Mitte 1966 bis Ende 1972 einhundertsiebenundvierzig FGS “ATLANTIK“ für die Sowjetunion, Bulgarien, Rumänien und Kuba gebaut. Im Zeitraum Ende 1971 bis Mitte 1973 folgten jeweils sieben Schiffe als Modifikation Fischerei-Forschungsschiff (Baunr. 101 – 107) und Fischerei-Schulschiff (Baunr. 120 – 126) für die sowjetische Fischerei. Mit Beginn der 1990iger Jahre begann die Außerbetriebnahme der Schiffe und deren Verschrottung. Für das Abwracken wurden die teilweise stark verschlissenen Trawler nach ihrem über zwanzigjährigen harten Fischereibetrieb an die Recyclingfirmen in Aliaga/Türkei, Mumbai und Alang/Indien und andere verkauft. Sechs Trawler mussten leider als Verlust auf See vermeldet werden, wie die Tabelle zeigt.

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Atlantik Supertrawler

 

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Zwölf Unglücke aus dieser riesigen Schiffsserie sind bekannt geworden. Am tragischsten waren wohl der Untergang des 50. Supertrawlers NB 450 (HB-7534 „President Pik“ aus Leningrad) am 30.12.2002 vor Taiwan, bei dem Seeleute ums Leben kamen, und des NB 561 (KB-7581 „Borodinskoje Pole“ aus Kaliningrad) bei den Shetlands im November 1993. Wie vorn schon gesagt ist jeder Verlust eine Tragödie und eine Wichtung ist sicher nicht sinnvoll. Es taucht gewiss die Frage auf, was nach den Unglücken mit den Wracks geschehen ist, zumindest mit jenen, die gestrandet (490 und 561) oder in der Nähe von Verkehrsrouten gesunken sind (410 und 417). Dem Autor liegen darüber keine Informationen vor.


Wie schon bei den vorherigen Schiffstypen erwähnt, wurde auch der Großteil der Atlantik-Supertrawler und all seiner Modifikationen bei den Abwrackwerften Alang und Mumbai/Indien, Chittagong/Bangladesch sowie Aliaga/Türkei, aber auch in Las Palmas, Bilbao u.a. verschrottet. Ihre letzte Reise traten die Supertrawler im Durchschnitt nach 20 bis 25 Jahren Einsatzdauer an. Der Zerfall der Sowjetunion ab 1990 hatte darüber hinaus einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Stagnation in der Fernfischerei. Finanzielle Einbrüche, marktwirtschaftliche Fehlentwicklungen, Ersatzteilmangel usw. trugen zur vermehrten Stilllegung von Fischereischiffen oder deren Verkauf ins Ausland ebenso bei.
 

Fang- und Verarbeitungsschiff „Atlantik-Supertrawler“ (alle Modifikationen)

 

Das erste Schiff dieses 102 m langen FVS vom Typ „Atlantik 464“ (Supertrawler) wurde auf den Namen „PROMETEY“ im Dezember 1972 abgeliefert. Die bis 1983 gebaute Serie mit ihren Modifikationen umfasste 195 Schiffe, wovon 15 Schiffer nach Rumänien gingen und 8 Schiffe für die DDR-Fischerei in Rostock platziert waren. Sechs Fischerei-Schulschiffe für die Sowjetunion ergänzten dieses Programm im Jahr 1979.

Mit der deutschen Einheit und Übergang in die Marktwirtschaft gab es ab 1990/91 auch bei der Rostocker Fischerei gravierende Veränderungen. NB 201 – 203 (ROS 331 bis 333) wurden ab Oktober 1990 nach China verkauft. NB 204 und 205 (ROS 334 und 335) gingen 1992 nach Bilbao und El Ferrol in Spanien zur Verschrottung. NB 206 – 208 (ROS 336 – 338) kamen ab 1992 (ROS 337 „Ludwig Renn“ ab 1995) unter russische Flagge. Die ehemalige „Ehm Welk“ ROS 333 (NB 203) fand als „Ming Chang“ ein bis dato „unwürdiges“ Ende. Seit 2004 lag sie als Wrack, halbgetaucht, in Petropavlovsk und rottete vor sich hin.

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GTS "Atlantik 333"

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Wie schon bei der Serie des Supertrawlers vermerkt, widerfuhr auch vielen GTS/GT nach dem Niedergang der Sowjetunion ab Mitte der 1990iger Jahre ein ähnliches Schicksal mit Stilllegung oder Verkauf / Ausflaggung wie zum Beispiel an Belize, St. Vincent & Grenadines, China u. a. Fischereibasen wie in Murmansk, Tallin oder Kaliningrad betrieben aber auch noch unter russischer Flagge und auf marktwirtschaftlicher Basis über mehrere Jahre Teile ihrer alten GTS/GT-Flotte. Ab 2000 begann verstärkt der Verkauf an die bekannten „Abwrack-Strände“ in Südasien und Südamerika.

 

Mit dem Beitritt der DDR zur BRD 1990 erfolgte anschließend auch die Privatisierung des VEB Fischfang Rostock. Die Trawler ROS 801 – 807 durchliefen in den Folgejahren mehrere Eigentümer- und folglich auch Namenswechsel. Die Mecklenburger Hochseefischerei GmbH gab den Schiffen 1993 Namen von Sternbildern und einen blauen Anstrich. Zwischen 1995 und 1998 erfolgte der Verkauf von ROS 801 bis 803 nach Argentinien. Im Nov. 1998 übernahm das holländische Unternehmen Parlevliet & van der Plas B.V. die MHF GmbH und ordnete die vier Schiffe ROS 804 bis 807 seinen neuen Tochtergesellschaften zu. 2001/2002 verkaufte P&P ROS 807 und 804 nach Murmansk bzw. nach Lettland. ROS 805 und 806, mittlerweile als BX 787 und BX 788 geführt, gehen schließlich 2006 an Litauen/Klaipeda und heißen dann „Sebastes-M“ und „Nida“.


Regelrechtes Unglück widerfuhr Neubau 625, der 1998 bei den Kurilen unterging, Nb 657 mit seinem Untergang 2007 bei den Faröern, Nb 666 mit seiner Havarie 2002 vor Trelleborg und Nb 751 (ex. ROS-801 „Fritz Dettmann“/“Auriga“), der Dezember 1999 vor Argentinien nach Grundberührung gesunken war.

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Gefriertrawler-Seiner (GTS „Atlantik 333“) und Modifikationen


Diese 62m – Hecktrawler wurden von 1981 – 1988 insgesamt 146-mal gebaut. Davon gingen 138 Schiffe an die Sowjetunion (84 Gefriertrawler-Seiner GTS, 46 Gefriertrawler GT und 12 als wissenschaftliches Forschungsschiff WFS 833). Acht Trawler erhielt die DDR-Fischerei in Rostock mit den Kennungen ROS 801 bis 808, wovon auf dem letzten zusätzlich Forschungsausrüstungen installiert waren.

Fabriktrawler "Atlantik 488"

 

Fabriktrawler „Atlantik 488“ (Typ „MOONZUND“)


Die Entwicklung dieses 120 m langen Fabriktrawlers begann bereits 1980 und in den fünf Jahren von 1986 – 1991 wurden 37 Schiffe fertiggestellt. Die Baunummern 831 – 837 kamen jedoch erst 1993 zur Ablieferung an mittlerweile russische Fischereibasen, da die Sowjetunion ab 1991 aufhörte zu existieren und wegen der eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten von deutscher Seite ein Baustopp ausgesprochen war.

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Bereits mit Baubeginn waren ab Nb 830 technische Verbesserungen in den Gefrier- und Fischbearbeitungsanlagen durch Einsatz westeuropäischer Erzeugnisse erfolgt, die den Gebrauchswert erheblich steigerten. Gegen Ende des ausgehenden 20. Jahrhunderts wurden viele der Trawler ausgeflaggt oder verkauft, z. B. an Belize, St. Vincent and Grenadines, China u. a. Die Neubauten 805 und 835 (s. Tabelle) sind mit Abstand noch am längsten in Fahrt, zeigen aber auch die wechselhafte Geschichte dieser Fabriktrawler. Zwei Trawler erlebten eine völlig neue Karriere, sowohl Umbau zu einem Offshore-Schiff (Nb 822) als auch zu einem Seismic-Forschungsschiff (Nb 809).

 

Einziges Schiff dieser Serie mit dramatischem Schicksal war Nb 821 “Leonid Galchenko“ (Ablieferung 28.02.1990), ab 2005 „Oleg Naydenov“ aus Murmansk. Der Trawler lag im Hafen von Las Palmas, als am 11.04.2015 um 13:30 vor dem Auslaufen nach Mauretanien im Maschinenraum Feuer ausbrach. Mit der „Miguel de Cervantes“ (span. Pollution control vessel) und „Boluda“ (span. Schlepper) wurde das brennende Schiff auf das offene Meer geschleppt, um dort auszubrennen und später wieder zurück in den Hafen bugsiert zu werden. Das Gefahrenpotential für Stadt und Tourismus sollte damit beseitigt werden. Vermutlich wegen der Löschwassermenge bekam der Trawler Bb-Schlagseite und versank am 15.04.2015 auf Pos. 27°32`N/15°30`W etwa 13 sm südlich von Maspalomas in 2700 m Tiefe. An Bord befanden sich ca. 1400 to Marine Diesel Öl und andere Vorräte, die eine Ölkatastrophe im Gebiet der Kanaren auslösten. Das Versiegeln des Rumpfes und Entsorgung des Treibstoffes sollen ca. 43 Mio EURO gekostet haben.

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Containerschiffe

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Containerschiffe


Die Containerschiffe, gebaut zwischen 1992 und 2010, sind vergleichsweise jüngere Schiffe der Volkswerft mit ihren 14 bis 30 Jahren Betriebszeit; folglich auch noch nicht so häufig dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen. Schiffsverlust gibt es glücklicherweise auch nicht zu beklagen. Bemerkenswert ist für dieses Segment lediglich, dass manche Schiffe einen mehrfachen Eigner- und Namenswechsel hatten. Auch die wechselnden Charterer brachten Namensänderungen mit sich. All dies ist zwar Branchen üblich, aber einige Schiffe brachten es doch auf eine stattliche Anzahl solcher Wechsel.

 

Die ersten Verkäufe zum Verschrotten hier gebauter Containerschiffe tätigten einige Reeder ab 2016/17, nachdem etwa eine achtzehnjährige Betriebszeit vergangen war. In den nächsten Jahren wird mit einem Anstieg der Zerlegung weiterer VWS-Containerschiffe zu rechnen sein. Das Containerschiff-Programm umfasste die Typen CFV 600M, VW 1100, VW 2500 (am meisten gebaut und modifiziert), VWS 2900, VWS 3000 sowie VWS 4000 (Panmax).

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Spezialschiffe

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Spezialschiffe


Allein für die hier zugrunde gelegten Betrachtungen und bessere Übersicht ordne ich diesem Sektor alle Volkswerft-Schiffe zu, die keine Fischerei- und keine Containerschiffe sind. Dies sind also Fahrzeuge der technischen Flotten wie Bagger und Behördenfahrzeuge, Passagierschiffe/Fähren, Fluß-Kreuzfahrtschiffe, RoRo-Carrier und Offshore-Einheiten. Sie sind fast alle sind noch im Dienst beim ersten Eigner oder unter verschiedenen Charterverträgen, und die Verschrottung dürfte noch eine Weile auf sich warten lassen.

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Mit dem Totalverlust des Kabellegers NB 436 „Maersk Responder“ im Jahr 2020 schlug das Schicksal am härtesten zu. Bereits 2015 von Maersk an Südkorea verkauft, in den Folgejahren wiederholt verschiedene Eigentümer und Charterer, arbeitete das Schiff zuletzt mit rotem Farbkleid wieder unter südkoreanischer Flagge und dem Management von KT Submarine (Korea). Während des Kabellegens in der Enge zwischen Südkorea und Japan vor der Insel Tsushima im Ostchinesischen Meer brach am 11. September 2020 im vorn gelegenen Maschinenraum Feuer aus. Die Brandbekämpfung blieb erfolglos und am 12. 09.2020 versank das Schiff über den Bug auf Pos. 34°06.40`N/ 128°31.79`E. Menschenleben waren nicht zu beklagen, nur vier Verletzte.

 

Eine schwere Havarie ereignete sich an Bord der Hurtig-Fähre „Nordlys“ am Vormittag des 15. September 2011 beim Anlaufen von Alesund. Das Feuer war im Maschinenraum ausgebrochen. Die mit 207 Passagieren und 55 Mannschaften besetzte „Nordlys“ erreichte nach ca. 20 Minuten den Kai im Hafen, wo das Feuer endgültig gelöscht werden konnte. Bereits auf See kamen die Rettungsboote zum Einsatz, die einen Teil der Passagiere an Land brachten. Die anderen gingen im Hafen von Bord. Zwei norwegische Seeleute verloren leider Ihr Leben. Nach den Reparaturen ging die „Nordlys“ später wieder in Fahrt auf der angestammten Hurtigrute.

 

Weniger als Schicksal, sondern mehr als ein kurzer Blick auf den harten Einsatz von Offshore-Einheiten darf das relativ frühzeitige Verschrotten der beiden AHTS „Maersk Attender“ und „Maersk Winner“ ab Herbst 2022 betrachtet werden. Die beiden Fährschiffe „Berlin“ und „Copenhagen“ wiederum unterlagen noch während des Baus auf der Werft besonderen Vorkommnissen, weshalb sie hier ebenfalls aufgenommen wurden. Die Werft geriet März 2012 in wirtschaftliche Schieflage, Terminverzug bei der Fertigung der beiden Schiffe verschärfte sich, Nichteinhaltung des vertraglichen deadweight respektive Tiefgangs zeichnete sich ab und im August 2012 stellte das Unternehmen schließlich einen Insolvenzantrag. Im November 2012 stornierte Scandlines dann den Schiffbauvertrag und die Fähren lagen nach Baustopp monatelang am Werftkai. In einem Bieterverfahren erwarb Scandferries Chartering A/S im Februar 2014 die zwei Schiffe für einen unglaublich niedrigen Preis (ca. 1/6 des ehemaligen Neubaupreises). Auf der Werft Fayard A/S (ehemals Odense Steel Ship yard/A.P.Moller) in Dänemark erfolgte ein Generalumbau, indem man z. B. obere Decks entfernte. Der Hauptantrieb wurde auf moderne Hybridtechnik umgestellt. Diese einmalige Story lässt sich also durchaus als Schiffsschicksal deklarieren, auch ohne auf die Ursachen unter der Flagge der P+S-Werften GmbH hier einzugehen.

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Fazit

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Fazit


Nur wenigen dürfte bekannt sein, welche und wie viele Unglücke jährlich auf See geschehen. Nach Lloyd`s List Intelligence und der Allianz ereigneten sich in 2020 mit Schiffen größer als 100 GT und unter Flagge eines EU-Staates etwa 2630 Unfälle, von denen 43% durch Navigationsfehler verursacht wurden. Ein Totalverlust von 66 Schiffen wurde gezählt. Die meisten Totalverluste gab es in 2015 mit 105 Schiffen; in 2023 ist mit 26 die geringste Zahl zu verzeichnen.

 

Bei Betrachtungen und in Statistiken über Schiffsunglücke findet man glücklicherweise nur sehr wenige Eintragungen zu einem der 1622 auf der Volkswerft Stralsund gebauten Schiffe. Die Verteilung der Häufigkeit von Unglücken auf See ist überwiegend gebunden an Schiffstyp, Bauart, Baujahr und Schiffsgröße sowie Fahrtgebiete mit extremen klimatischen Bedingungen. Dies zeigt sich hier bei den VWS-Schiffen besonders deutlich. Die meisten Unglücke ereigneten sich mit kleinen Fischereifahrzeugen der 1950iger Jahre mit ihrem Fischfang bei Sturm und auch in vereisten Gewässern.

 

Bei großen modernen Schiffen spielen andere Risikofaktoren eine Gefahrenquelle wie zum Beispiel Feuer. Beim Transport gefährlicher Ladung und auch durch technische Mängel verursacht, kann ein Brand an Bord dramatische Folgen haben. Navigationsfehler und schlechte Sicht (Nebel) mit Folge von Kollision, aber auch extreme Stürme mit sog. Monsterwellen, haben Schiffe in Seenot gebracht.
Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man bei über 95% der VWS-Schiffe von einem Abwracken ausgeht.­

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