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Die Volkswerft Stralsund und ihre Schiffe en miniature

Autor: Dietmar Simon, November 2024

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Es gibt die unterschiedlichsten Darstellungsformen von Schiffen aus allen Zeiten. So wertvoll diese auch sein mögen - ob als Gemälde, archäologischer Fund oder elfenbein-geschnitztes Modell – ist es immer faszinierend, wenn man Schiffsmodelle im Maßstab 1:1250 aufreiht und einem dabei sofort klar wird, mit welch rasanter Geschwindigkeit die technische Entwicklung im Schiffbau vorangeschritten ist. Diese frei nachempfundenen Worte Peter Tamms (1928-2016, Hamburger Manager und Verleger mit weltgrößter privater Sammlung zur Schifffahrts- und Marinegeschichte, darunter über 25.000 Schiffsmodelle 1:1250) kann man mit etwas Fantasie auch getrost auf die Entwicklung der Schiffstypen der Volkswerft Stralsund übertragen.

 

Es handelt sich hier um eine besondere Art von Schiffsmodellen. Es sind kleine Wunderwerke im weltweit einheitlichen Maßstab 1:1250, in dem Schiffe als Wasserlinienmodelle mit hoher Detailtreue präsentiert werden. Hinter diesem Maßstab verbirgt sich eine lange Entwicklungsgeschichte. Anfangs als stark vereinfachtes Spielzeug in den 1930er Jahren erschienen (Wiking), fand es zum Beispiel auch schnell Interesse bei den Militärs. Mit etwas vorbildgerechteren Modellen ließen sich so strategische Planspiele und Seekriegsmanöver nachstellen. Mit den heutigen Präzisionsmodellen sind diese frühen Modelle jedoch nicht mehr vergleichbar. Die relativ wenigen Hersteller in Deutschland und Europa haben eine fast unbegrenzte Typenvielfalt auf den Markt gebracht in den letzten 60 Jahren, aber Fischereischiffe der Volkswerft Stralsund hatte keiner in den alten Bundesländern in seinem Programm. Und welcher Sammler in Hamburg hätte sich schon für diese Schiffstypen der DDR interessiert. Nach 1990 und mit den neuen Kunden der Volkswerft sowie den neuen Schiffstypen änderte sich das ein wenig. Als erste Modelle erschienen die Hurtigruten-Schiffe und die „Neuwerk“ (SUBS) etwa Mitte der 1990er.

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Beruflich hatte ich als Leiter der Schiffsprojektierung der Volkswerft mit Schiffsmodellen insofern ab den 1980er Jahren schon zu tun, da die Modellbauunterlagen für die Repräsentationsmodelle der Werft im Maßstab 1:50 bis 1:200 aus meiner Abteilung kamen und die Fertigung der Modelle bei der Modellbaufirma von uns begleitet und begutachtet wurde. Die Großmodelle jener Zeit, vom Supertrawler, GTS, Fabriktrawler über Hurtigschiff bis zu den ersten Containerschiffen, aber natürlich auch die alten Modelle aus den 1950-1970er Jahren wie Kutter, Logger oder Atlantik und die neueren Modelle ab den 1990ern mit den Spezialschiffen bis zur Endeavor waren für Ausstellungszwecke gedacht. Auf vielen Fischerei- und Schiffbau-Messen im In- und Ausland (Leipzig, Leningrad, Wladiwostok, Hamburg, Shanghai, Piräus, Oslo, Trondheim, Reykjavik, Seattle u.a.) wurden entsprechend dem aktuellen und zukünftigen Bauprogramm der Werft die jeweiligen Modelle präsentiert und zeugten vom Leistungsstand der Werft.

 

Einige Modelle fanden den Weg in Museen oder auch vereinzelt als Geschenk an Reedereien. Ab den 1970er Jahren konnten die Werftangehörigen und Werftbesucher solche Modelle selbst besichtigen. Dafür war ein Glas-Pavillon an der Werftstraße zwischen großem Speisesaal und Hochhaus errichtet worden. Ab den 1990ern fanden Großmodelle dann mehr und mehr Platz in den Räumen der Geschäftsführung und deren Umfeld. Von diesem großen Fundus der Werft ist hier aber nicht die Rede.

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Die Initialzündung für meine Sammelleidenschaft der „Miniships 1:1250“ erfolgte genau genommen nach dem Besuch des Instituts von Peter Tamm an der Elbchaussee in Hamburg im Rahmen des Directors Summit 2004 der europäischen Schiffbauvereinigung CESA. Bei der Führung durch das Haus war die einzigartige maritime Sammlung von Tamm zu besichtigen. Neben Gemälden und maritimen Gegenständen aller Art nahmen ca. 25.000 Schiffsminiaturen (1:1250) den Großteil der Sammlung ein. Diese fast monströs zu nennende Präsentation von Schiffsmodellen, die zwischen 5 und 25 cm lang sind, hatte tiefen Eindruck hinterlassen. Meine Frage nach Modellen von Schiffen der Volkswerft Stralsund, speziell den Fischereischiffen, wurde mit Bedauern verneint. Den wenigen Herstellern in den alten Bundesländern hatten jene Schiffe eben nicht interessiert.

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Innerhalb weniger Jahre baute ich eine kleine Sammlung auf, beschränkt auf abgeschlossene Gebiete wie Passagierschiffe (Träger des Blauen Bandes des Nordatlantik, Four-Funnel-Liner, KdF-Schiffe, weltgrößte Kreuzfahrer), Deutsche Seereederei oder Kaiserliche und Deutsche Kriegsmarine. Für ein Sammelgebiet „Volkswerftschiffe + Fischerei“ waren zu jener Zeit aber keine Miniship-Modelle zu finden. Erst mit dem Erwerb der „Kong Harald“ (PCV 917) der Fa. Albatros/Nürnberg, der „CCNI ARICA“ (VW 2500.1) von Jahnke Modellbau und der „Neuwerk“ (SUBS) von der Fa. Klabautermann bot sich der Grundstock für den Aufbau einer VWS-Flotte an.

 

Insbesondere von der Fa. Albatros, aber auch von den Herstellern Risowaleska, Optatus-Berlin und REMO Tessin, kamen im Laufe der Zeit Modelle nach Volkswerft Vorbild auf den Markt. Albatros und REMO brachten Supertrawler, GT und Atlantik 488 heraus und Optatus den VW2500.1 und VWS 2500.2C. Ich möchte nicht unerwähnt lassen meine Kontaktaufnahme zu den drei letztgenannten Herstellern. In dankenswerter Weise kam Herr Kunath von REMO meiner Bitte nach, den Fabriktrawler Atl.488 ins Programm zu nehmen. Mit Herrn Lange von Albatros ergab sich temporär ein angenehmer Gedankenaustausch zu der Typenvielfalt der Fischereischiffe „Atlantik-Supertrawler“ und „Gefriertrawler“ Typ Atlantik 333.

 

Die Modelle der jüngeren Werftgeschichte wurden von der Fa. Modellbau Conrad in Kalchreuth angefertigt. Die kleinen handwerklichen Meisterleistungen dienten der Werft in vielfältigster Art als Geschenk, sowohl für Kunden und Zulieferanten als auch für Werftmitarbeiter zu unterschiedlichsten Anlässen. Kernstück meiner Sammlung ist ein Bernsteinmodell des Containerschiffes VW 2500; Vollrumpfmodell und natürlich in 1:1250. Ein Containermodell mit dem Logo der dänischen Reederei MAERSK dient dem kleinen Kunstwerk als lukratives zuhause.

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Zwei Schiffe sind in die Sammlung aufgenommen, obwohl sie nicht auf der Volkswerft gebaut wurden, aber doch einen gewissen Bezug zur Werft hatten. Da ist einmal der Frachtdampfer „Vorwärts“ (ex. „Grete Cords“/1903), der 1950 bei der Staatswerft Stralsund als erster DDR-Frachter nach dem II.WK fahrtüchtig gemacht wurde. Als Bereich Reparaturen (FR, an der Ziegelstraße) ging dieser Betrieb 1958 in der Volkswerft auf. Zweitens das 1961 in Wismar gebaute Fahrgastschiff „Fritz Heckert“. Es war bis 1972 als FDGB-Urlauberschiff der DDR in Fahrt. Im Mai 1972 übernahm die Volkswerft das ausgediente Schiff und nutzte es als schwimmendes Arbeiterwohnheim im Stralsunder Hafen. Nachdem es später an das AKW Nord Lubmin überging, verließ im Schlepp das Schiff im April 1991 Stralsund.

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Die Schiffsminiatur mag manch einer nur als Spielzeug ansehen. Sie ist jedoch eine einzigartige Darstellungsform von Schiffen und als geschichtliches Zeugnis anerkannt. Das macht sie bei Sammlern eben auch so hochbegehrt. Stellt man nur den Seitentrawler neben den Supertrawler, diesen dann neben den Containerfrachter VWS 2500 und letztlich jenen neben den VWS 4000, wird dem Betrachter sofort und augenscheinlich klar, welch gewaltige Entwicklung im Bau von Schiffen hier in Stralsund vor sich ging. Auch der Übergang vom Fischereischiffbau zu einem Programm-Mix aus Container- und Spezialschiffen ist im Zeitraffer gut zu erfassen. Ein optischer Querschnitt der Schiffbaugeschichte der Stralsunder Werft wird auf diese Art und Weise außerdem dargestellt.

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Letztendlich hat sich auch eine liebevolle Verbindung zu den „Kleinen“ entwickelt; sind sie doch ein greifbares Abbild des 40-jährigen Arbeitslebens des Schiffbau-Ingenieurs.

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Werftmodelle

Die Volkswerft Stralsund en miniature

 

Die Modelle der Volkswerft Stralsund zeigen anschaulich die Entwicklung dieses Industriestandortes im Südosten der Hansestadt am Strelasund. Aus welchen Gründen auch immer stimmen einige wenige Gebäudekomplexe bei einigen Modellen nicht mit der Realität überein.

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Das Modell reflektiert die Phase der ersten Jahre der Volkswerft von etwa 1949 bis 1953.

 

Die Schiffe auf der Helling vor Halle VI bis zur Querslip-Anlage verdeutlichen das Bauprogramm der großen Loggerserie jener Jahre. Die Modellbauer haben leider übersehen, dass die Logger mit dem Heck nach Norden gebaut wurden und nicht mit dem Bug. Die Poliklinik, 1952 eröffnet, ist deutlich zu erkennen, allerdings existierte das danebenstehende, mehrgeschossige Gebäude am Haupteingang der Werft niemals. Auch der Trakt mit dem großen Speisesaal (links oben) kam in dieser Ausdehnung nicht zur Ausführung. Diese kleinen Abweichungen tun dem Modell aber keinen Abbruch. Der damalige Produktionskern ist realitätsnah modelliert und auch das frühere Direktionsgebäude der Krögerwerft (rechts oben in der Baumgruppe), jetzt Sitz der sowjetischen Bauaufsicht, findet sich wieder.

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Dieses Modell steht für die Ära um die Mitte der 1950er Jahre. Die 1953 errichtete Einhausung der Helling vor der Schiffbauhalle VI ist sehr gut zu erkennen. Der Trakt mit dem großen Speisesaal ist jetzt vorbildgerecht „zurück gebaut“ und auch das „Hochhaus“ ist nicht mehr platziert. Weshalb die Poliklinik fehlt, ist unerklärlich. Nichtsdestotrotz repräsentiert das Modell die Werftanlagen jener Zeit sehr anschaulich.

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Das Modell der 1960er Jahre zeigt die Werft mit ihrer Erweiterung nach Süden, wie sie für den Bau der TROPIK-Serie, des neuen Typs von großen Fischereischiffen, ab 1960 erforderlich war. Dieser als „Ausbau Süd“ bezeichnete Bereich umfasst eine Helling mit mehreren Baugleisen, über die die Schiffe dann quer zu einer hydraulischen Absenkanlage verschoben wurden. Im Bild links oben ist dies gut zu erkennen. Die alte Querslip wurde nur noch bis zum Auslaufen der Serie Mitteltrawler Ende 1960 genutzt und dann verbaut. Gut zu erkennen ist am Modell auch der Reparatursektor der Werft (in jenen Jahren Bereich FR) nördlich der Zufahrt zur Ziegelgraben-Klappbrücke.

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Für den Bau/Kiellegung der ständig größer werdenden Fischereischiffe, vom TROPIK (ab 1960) über den ATLANTIK (ab 1965) bis zum ATLANTIK-Supertrawler (ab 1970), machte es sich erforderlich, die Werftanlagen in ihren Kapazitäten diesen neuen Dimensionen anzupassen. Nach außen sichtbar war das Kernstück der Modernisierung die Schiffbau-Montagehalle X mit ihren zwei Baugleisen für Schiffe bis über 100 m Länge, die 1972 in Betrieb genommen wurde. Ein Schwimmdock für die umfangreichen Garantiearbeiten wurde angeschafft und ist gut zu erkennen. Weithin sichtbar das neue Hochhaus mit dem F+E-Zentrum, welches ab 1972 im Bau und 1976 bezugsfertig war.

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Als VEB Volkswerft Stralsund bis zum Jahr 1989 führte der Betrieb weitere Rationalisierungsmaßnahmen durch wie zum Beispiel das Stapellaufdock ab 1986 für das zu Wasser lassen des Fabriktrawlers ATLANTIK 488 u. a. Ein Werftmodell konnte nicht gefunden werden und deshalb soll der folgende Lageplan als Ersatz dienen.

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Mit dem Übergang in die Marktwirtschaft ab 1990 und gegenüber den neuen Wettbewerbsbedingungen sah sich auch die Volkswerft gezwungen, umfangreiche Modernisierungen im Produktionskern durchzuführen. Dazu gab es verschiedene Konzepte. Nach der Übernahme der Werft durch den Bremer Vulkan begann dann ein rigoroser Umbau der Volkswerft zu einer Kompaktwerft mit der Grundsteinlegung im Sommer 1994. Vorfertigung, Sektionsbau, Schiffskörpermontage, Schiffstransportanlage und 230 m Schiffslift sowie Konservierungshallen bildeten den neuen Produktionskern mit kurzen Wegen zwischen den Fertigungsstätten. Im Anbau der Schiffbauhalle sind am südlichen Ende die Büros der Geschäftsführung und die Räume der technischen Vorbereitung, im mittleren Teil Werkstätten und Ausrüstung untergebracht. Für den Bau der „riesigen“ Containerschiffe VWS 4000 (Absenken erstes Schiff Febr. 2006) ließ A.P.Møller den Lift 2004/05 um 40 m verlängern.

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Das Modell lässt bezüglich der dargestellten Schiffe (Ankerziehversorger auf der freien Helling und Kabelleger am Ausrüstungskai) und deren Produktionstermine auf die Zeit um 2000 schließen. Andererseits ist die o. g. 40 m Verlängerung des Schiffslifts hier dargestellt. Wie auch immer, das Modell zeigt sehr schön die Werftanlagen über den Zeitraum von 1999 bis heute.

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Schiffsmodelle

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Die Schiffe der Volkswerft Stralsund en miniature

 

Der geneigte Leser darf leider keine vollständige Präsentation aller auf der Volkswerft gebauten Schiffstypen als Modell im Maßstab 1:1250 erwarten. Dazu ist in der Einleitung bereits einiges gesagt.

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